- Thurnwald
- Thụrnwald,Richard, Ethnologe und Soziologe, * Wien 18. 9. 1869, ✝ Berlin 19. 1. 1954; nach juristischer Ausbildung österreichischer Verwaltungsbeamter in Bosnien (ab 1896); Studium der Orientalistik und Völkerkunde. Thurnwald unternahm als Assistent am Berliner Völkerkundemuseum (ab 1901), später als Professor in Halle/Saale (1919-23) und Berlin (ab 1924) Feldforschungen in Melanesien, Mikronesien (1906-09; 1933-34), Neuguinea (1912-15) und Tanganjika (1930). Im Gegensatz zu den Vertretern des britischen Funktionalismus, deren methodische Ansätze er teilte, versuchte Thurnwald die funktionale Analyse einzelner Gesellschaften mit vergleichenden und historischen Fragestellungen zu verbinden; im Hinblick auf eine allgemeine Typologie sozialer Prozesse untersuchte er besonders die wechselseitigen Beziehungen von gesellschaftlicher Organisation, Ökonomie, Technologie und kultureller Persönlichkeitsstruktur sowie Probleme der »sozialen Siebung« und des kulturellen Wandels der Stammesgesellschaften unter dem Einfluss der europäischen Kolonisation. Anders als in der angelsächsischen Völkerkunde wurde sein umfangreiches Werk in Deutschland nur zögernd rezipiert; heute gilt er als maßgeblicher Begründer der deutschen Ethnosoziologie.Werke: Völkerpsychologische Charakterstudien (1927); Die menschliche Gesellschaft in ihren ethnosoziologischen Grundlagen, 5 Bände (1931-35); Economics in primitive communities (1932); Koloniale Gestaltung. Methoden und Probleme überseeischer Ausdehnung (1939).
Universal-Lexikon. 2012.